Die heilige Pelagia, - Sünderin und große Büßerin
Der Festtag, Gedenktag, Verehrungstag ist der 8. Oktober
* unbekannt † um 457 auf dem Ölberg bei Jerusalem
Einstmals waren zu Antiochia mehrere Bischöfe vor der Pforte der Kirche des heiligen Märtyrers Julianus beisammen, um über gewisse Angelegenheiten zu beraten.
Auch der heilige Bischof Nonus, der früher Einsiedler gewesen, befand sich unter ihnen.
Als sich alle niedergesetzt hatten, ersuchten einige Bischöfe den heiligen Nonus, ihnen eine heilsame Ermahnungsrede zu halten.
Er tat es mit solcher Salbung, daß alle sich erbauten.
Während er noch sprach, ritt auf einem prächtigen Maultiere eine freche Dirne vorüber, welche in der Stadt Alexandria die vornehmste Sängerin und Tänzerin war.
Sie war über die Massen mit Gold, Silber und Edelstein geschmückt, und eine Menge Diener und Mägde begleiteten sie.
Es war aber dies Weib so schön und lieblich von Angesicht, daß die Weltkinder sich nicht ersättigen konnten, sie anzuschauen.
Die Bischöfe aber, welche sie vorüber ziehen sahen, wandten ihre Blicke hinweg und seufzten über die Leichtfertigkeit des Weibes.
Nonus dagegen sah sie unverwandten Blickes und beständig an, so lange er sie sehen konnte, und sprach dann zu den anwesenden Bischöfen:
„Hat euch diese schöne Person nicht gefallen?”
Da ihm keiner Antwort gab, ließ er seinen Kopf auf das Tuch niedersinken, das vor ihm lag, und begann bitterlich zu weinen.
Endlich richtete er sich wieder auf und fragte die Bischöfe noch einmal:
„Saget mir aufrichtig meine Brüder, hat euch diese so schöne Person nicht auch gefallen?”
Und weil sie ihm auch jetzt keine Antwort gaben, sprach er:
„Ich habe mich an ihrem Anblick über die Massen ergötzt. Ich frage euch aber, Gott der Allmächtige, wird diese nämliche Person am strengen Gerichtstage uns vor die Augen stellen?
Denn was glaubt ihr wohl, Vielgeliebte, viele Stunden hat dies Weib zugebracht, sich zu waschen und zu putzen, bis sie sich so schön geschmückt hat?
Und dennoch suchte sie durch all ihren Schmuck und Putz Niemand andern denn sterblichen Menschen und ihren Buhlern zu gefallen. —
Wie aber haben einen allmächtigen Gott und Vater, einen unsterblichen Bräutigam im Himmel, der uns unendliche herrliche Güter verheißen hat, die so groß sind, daß sie das menschliche Herz nicht fassen kann, und die er uns sicher geben wird, wenn anders wir ihn lieben.
Ja, was soll ich sagen! Wir haben die Verheißung, das unvergleichlich liebliche, schöne Antlitz unseres ewigen Bräutigams und Gottes, das zu schauen die Cherubim gelüftet, in alle Ewigkeit zu genießen, und dennoch bereiten und schmücken wir unsere armen Seelen nicht hierzu, sondern lassen die selben mißgestaltet und in ihrer Unreinigkeit verderben!”
Sprachs und ging in sich gekehrt in seine Herberge.
Dort warf er sich auf sein Angesicht, schlug an seine Brust und sprach unter vielen Tränen:
„Herr und Heiland Jesus Christus, verzeih mir deine Barmherzigkeit: denn siehe, diese Sünderin schmückt an jedem Tage ihren Leib weit vortrefflicher, als ich meine arme Seele!
Wie werde ich es wagen dürfen, dich zu schauen!
Wie werde ich mich verantworten können vor dir!
Wehe mir, daß ich es wage vor deinen heiligen Altar zu treten und doch selten eine reine, wohlgeschmückte Seele dahin bringe, wie du sie von mir verlangst!
Diese Sünderin hat sich freiwillig vorgesetzt, den Menschen zu gefallen und dies tut sie treu und eifrig; ich aber habe verheißen, dir zu gefallen, und bis zur Stunde habe ich dies aus bloßer Trägheit nicht getan.
Deshalb bin ich ganz arm und nackt vor Gott und den Menschen, da ich deine Gebote nicht gehalten!
Darum darf ich durchaus keine Hoffnung auf meine guten Werke haben, sondern einzig und allein vertraue ich auf dich, o mein Gott!” —
Mit solchen Reden, Klagen und Tränen brachte er den übrigen Teil des Tages zu.
Als aber der Sonntag herbeigekommen war, und wir, so erzähltder fromme Diakon des Heiligen Ruffinus, in der Mitternacht das Gebet vollendet hatten, sprach der heil. Nonus zu mir:
„Mein Diakon und Bruder, der mich beunruhigt, weil ich ihn mir nicht deuten kann.”
Und da erzählte er mir, wie er im Traume an der Ecke des Altars stehend eine kohlschwarze häßliche Taube gesehen habe, die um ihn herum flatterte und einen unleidlichen Gestank verbreitete.
Dies Taube war um mich, bis die Messe der Katechumenen vorüber war.
So wie aber der Diakon den Ungetauften befahl, hinaus zu gehen, verschwand auch die Taube mit ihnen.
Nachdem aber das Opfer vorüber war und ich nach dem Segen der Kirche hinaus gehen wollte, kam die häßliche Taube abermal und umflog mich auf`s Neue.
Endlich fing ich sie mit den Händen und warf sie in das Wassergefäß, das im Vorhof der Kirche steht; und sieh, da ließ sie augenblicklich allen Wust und alle Schwärze fahren, stieg weiß, gleich dem Schnee aus dem Wasser, erhob sich zum Flug und erschwang sich in die Höhe, daß ich sie zuletzt nicht mehr sehen konnte.—
Und als er diesen Traum mir erzählt hatte, fährt Ruffinus weiter fort, nahm er mich mit sich in die Hauptkirche.
Dort überreichte ihm der Bischof von Antiochia während des Gottesdienstes das Evangelienbuch und ersuchte ihn, dem anwesenden Volke zu predigen.
Da öffnete der selige Bischof seinen Mund und sprach mit solchem Feuer von dem zukünftigen Gerichte, von den ewigen Strafen der Gottlosen und von der himmlischen Seligkeit, als spräche der Geist Gottes selbst aus ihm, so daß das Volk bis in`s Innerste zerknirscht ward, an die Brust schlug und mit Tränen das Pflaster der Kirche befeuchtete.
Unter diesem Volke befand sich auch jenes leichtsinnige, lasterhafte Weib, von dem Nonus gesprochen.
Die Gnade des Herrn hatte sie in die Kirche geführt.
Die gewaltige Predigt des heiligen Nonus hatte ihr ganzes Herz erschüttert.
Sie schluchzte laut auf und vergoss einen Strom von Tränen.
Als der Gottesdienst geendet war, befahl sie zweien Dienern, dem heiligen Bischof zu folgen und zu sehen, wo er in der Stadt wohne.
Die Diener taten, wie ihnen befohlen ward, und zeigten ihr unsere Wohnung.
das Weib aber schrieb ungesäumt dem heiligen Bischof einen Brief, den sie ihm durch einen Diener zu schickte.
Der Brief aber lautete also:
Dem heiligen Bischof und Jünger Christi, Nonus wünscht Pelagia, die Sünderin und Jüngerin des Teufels, alles Heil!
Ich habe von deinem Gott vernommen, daß Er auf die Welt herabgekommen sei, nicht um der Gerechtigkeit willen, sondern die Sünder selig zu machen; und sich so tief herabgelassen habe, daß Er sogar die Zöllner und öffentlichen Sünder nicht verschmähte, ja, daß Er, dessen Angesicht selbst die Cherubim nur mit Zittern schauen, mit armen Sündern umgegangen ist.
Obgleich aber auch Du mein Herr, der Du in ngroßer Heiligkeit leuchtest, Jesum Christum, der dem samaritanischen Weibe beim Brunnen sich offenbarte, nicht mit leiblichen Augen gesehen hast, so bist Du dennoch, wie ich von den Christen erfahren habe, ein wahrer Diener und Jünger Jesu Christi.
Bist Du aber sein rechter Diener und Jünger, so wolle mich ja nicht verschmähen, die, weil ich hoffe, durch Dich den Heiland zu erkennen, und dort der Anschauung seines heiligen Angesichts gewürdigt zu werden.
Der heilige Nonus gab ihr folgende Antwort:
„
Wer Du auch immer bist, so bist Du Gott dem Herrn bekannt, Du und alle Deine Werke, sowie auch Dein Wille.
Wisse aber, daß Du Dich nicht unterfangen sollst, meine Wenigkeit zu versuchen; denn ob auch ein Diener Gottes, bin ich doch auch ein sündiger Mensch.
Wenn Du aber eine wahrhafte und ernstliche Begierde nach Gott, nach dem Heile und nach unserem Glauben hast, und mich persönlich sehen und besuchen willst, so sind noch andere Bischöfe bei mir, in deren Gegenwart dieses geschehen mag; denn Dich allein lasse ich nicht vor mich kommen, Lebe wohl!
”
Kaum hatte Pelagia diese Antwort erhalten, als sie voll Freuden in die Wohnung des heiligen Nonus eilte und sich anmelden lies.
Der Heilige berief alsbald alle anwesenden Bischöfe zu sich und lies Pelagia dann eintreten.
Diese warf sich sogleich dem Heiligen zu Füßen und sprach:
Ich bitte dich, Herr, erzeige nach dem Beispiel deines Herrn und Heilandes Jesu Christi deine Güte und Milde an mir und mach mich zu einer Christin; denn ich bin, mein Herr, ein tiefes Meer voll aller Sünden und Laster, ein Abgrund der Bosheit.
Darum flehe ich zu dir, erteile mir die heilige Taufe!
Der Heilige aber sprach zu ihr:
„Die Gesetze der Kirche verwehren, daß ein solches gemeines Weib getauft werde, sie habe denn zuvor einen Bürgen gestellt, daß sie von ihrem früheren bösen Leben ablasse!”
Als Pelagia diese Worte hörte, umfing sie die Füße des heiligen Mannes, begoß sie mit ihren Tränen, trocknete sie mit ihren Haaren und sprach:
„Du wirst Gott für meine Seele Rechenschaft geben, wenn du dich weigerst, mich unreine Sünderin zu taufen.
Keinen Teil sollst du an Gott haben, wofern du mir nicht sogleich von meinen Missetaten hilfst und durch die Taufe bewirkest, daß ich eine Braut Christi werde und meine Seele Gott dem Allmächtigen zum Opfer bringe.”
Alle Bischöfe und Priester, die zugegen waren, verwunderten sich über ihre Reden und ihren großen Glauben.
Von Mitleid bewegt, sandten sie den Diakon Ruffinus zum Bischof der Stadt, damit er demselben die Sache anzeige und ihn um eine Diakonissin *) bitte, die der heiligen Taufe beiwohnen sollte.
Der Bischof, hocherfreut über das Gehörte, sandte sogleich die Matrone Romana, die eine gar fromme Witwe war. —
Als diese die Sünderin Pelagia noch zu den Füßen des heiligen Nonus liegend fand, sprach sie ihr Mut zu und sagte:
„Komm meine Tochter, steh` auf, laß die kirchlichen Beschwörungen wider den bösen Feind über dich sprechen und bekenne deine Sünden.”
Pelagia aber sprach zu ihr:
„
Wenn ich auch mein ganzes Herz durchforsche, so finde ich doch nicht das geringste Gute in mir.
Dagegen weiß ich, daß die Zahl meiner Sünden größer ist, als der Sand am Meere.
Ich hoffe aber auf deinen Gott, daß er mich gnädig ansehen und die Last meiner Sünden von mir nehmen werde.”
Hierauf befragte sie der heilige Bischof um ihren Namen und taufte sie.
Auch erteilte er ihr die heilige Firmung und reichte ihr die heilige Kommunion.
Groß war die Freude des heiligen Bischofs über die Bekehrung dieser armen Sünderin, aber noch größer die Wonne, welche das Herz derselben durchströmte.
Aber der Teufel setzte ihr drei tage lang hart zu und suchte sie durch tausenderlei Versuchungen wieder in sein Netz zu locken.
Doch Pelagia überwand ihn siegreich durch das Zeichen des heiligen Kreuzes.
Am dritten Tage übergab sie dem heiligen Bischofe Nonus all ihre Habe, ihr Gold, ihre Perlen und Edelsteine und ihre prächtigen Kleider zur Verteilung unter die Armen, schenkte ihren Dienern und Aufwärterinen die Freiheit und sprach zu ihnen:
„Eilet, daß auch ihr ledig werdet von der sündhaften Welt, damit wir im Himmel wieder zusammen kommen.”
Am achten Tage aber nach der taufe, als Pelagia dem damaligen kirchlichen Gebrauche gemäß, das weiße Taufgewand wieder ablegen sollte, hatte sie dasselbe in der Nacht zuvor schon abgelegt, und dagegen ein härenes Bpßkleid umgetan.
Darüber aber zog sie noch ein anderes Kleid an, das dem heiligen Nonus gehörte, und in diesem Kleide entfernte sie sich heimlich in der Stille der Nacht und ward nicht mehr in Antiochia gesehen.
Sie pilgerte nach Jerusalem und erbaute sich dort eine arme, schlechte Hütte auf dem Ölberg.
Nach einigen Jahren hat Ruffins seinen heiligen Bischof, ihm zu erlauben, nach Jerusalem zu wallen und das heilige Grab zu besuchen.
Nonus gab ihm die Erlaubnis und sprach:
„Mein Bruder und Diakon, wenn du nach Jerusalem kommst, so frage daselbst nach einem gewissen Einsiedler Pelagius; derselbe wohnt bereits manches Jahr in der Wildnis eingeschlossen; suche ihn also auf, denn er wird dir mit gutem Rat an die Hand gehen.”
Ruffinus ging also nach Jerusalem, wartete dort seiner Andacht ab und suchte endlich den Diener Gottes Pelagius auf, dessen von allen Seiten verschlossene und nur mit einem Fensterlein versehene Zelle er auch auf dem Ölberg fand.
Bei dem Fensterlein klopfte er an, Der Einsiedler öffnte sogleich, es war Pelagia, die Büßerin! Ruffinus kannte sie nicht, denn sie war in männliches Kleid gehüllt, und ihre vormals so schöne Gestalt war durch strenges Fasten und andere Bußwerke ganz dürre und abgemagert und ihre Augen standen ihr tief im Haupte.
Sie fragte Ruffinus, den sie gleich erkannte:
„Von wannen kommst du, mein Bruder?” Der aber antwortete: „Der selige Bischof Nonus hieß mich bei dir zusprechen.”
Darauf erwiderte sie kurz: „Dag ihm, daß er für mich bete; denn er ist in Wahrheit ein heiliger Mann, ” und damit verschloss sie das Fensterlein und fing an, ihre Tageszeiten zu beten.
Ruffinus kehrte nach Jerusalem zurück und besuchte dort die Brüder in den Klöstern. Wohin er aber immer kam, erzählte man ihm viel Gutes von dem Mönche Pelagius, weshalb er sich vornahm, noch einmal hinzugehen und eine oder die andere Lehre zur Erbauung von ihm zu hören.
Ruffinus ging also abermals hin, klopfte einige male und rief oftmals:
Niemand aber antwortete ihm.
Er blieb bis zum dritten Tag, rief den Pelagius oft mit Namen, vergeblich jedoch;
Alles war still und öde.
Schon wollte er gehen, bis ihm der Gedanke kam:
„Wie, wenn dieser fromme Mann gestorben wäre?” —
Er öffnete nun das Fensterlein mit Gewalt, sah hinein und erblickte Pelagia tot auf der Erde liegen.
Er verschloß schnell das Fenster, verklebte es mit Lehm, eilte in die Stadt Jerusalem und verkündete dort den Tot des Einsiedlers Pelagius.
Alsbald begaben sich viele gottselige Väter und Brüder aus den verschiedensten Klöstern dahin und öffneten den Eingang zur Zelle; auch trugen sie den Leichnam heraus, um ihn zu bestatten.
Als sie ihn aber nach damaliger Sitte mit Spezereien salben wollten, fanden sie, daß der vermeintliche Pelagius ein Weib war.
Sie erstaunten höchlich und beschlossen, das wunderbare Ereignis zu verheimlichen; dennoch kam die Kunde davon unter das Volk im ganzen Lande.
Da kamen alle Klosterjungfrauen, sowohl die von Jericho, als die vom Jordan, wo unser Herr getauft ward, mit Fackeln und Wachskerzen unter Lobgesängen herbei, und in Begleitung derselben Überreste der heiligen Büßerib Pelagia beigesetzt und von den Vätern bestattet.
Die heilige Kirche begeht ihr Fest am 8 Oktober.
Sie wird abgebildet in Einsiedlerkleidung, in einer engen Zelle betend.
*) In den ersten Jahrhunderten der Kirche wurden weibliche Personen, meistens Witwen, zum niederen Kirchendienst verwendet.
Dieselben hatten die Aufsicht über das weibliche Geschlecht in den Kirchen, mußten die Aufträge der Bischöfe an das Frauenvolk ausrichten, die Kranken pflegen und bei der heiligen Taufe, die damals noch durch Untertauchen in`s Wasser geschah, den erwachsenen weiblichen Personen beistehen.
Sie wurden zu diesem Dienste eigens gesegnet und man nannte sie Diakonissinen.
Quelle: Legende von den lieben Heiligen Gottes, nach den besten Quellen neu bearbeitet und herausgegeben von Georg Ott, Stadtpfarrer in Abendsberg (1863)
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