Die heilige Lioba, Äbtissin -
- Festtag, Gedenktag ist der 28. September
- * in England
- † am 28. September 772
Die berühmteste unter allen Nonnen, welche der heilige Bonifazius aus England nach Deutschland rief, ist die heilige Lioba.
Sie war die einzige Tochter des Dimo, eines westsächsischen Großen in England und seiner Gemahlin Ebba.
In der heiligen Taufe erhielt sie den Namen Truthgeba.
Weil sie so liebenswürdig war, erhielt sie später den Namen Lieba oder Lioba.
In den Briefen, die an sie geschrieben wurden, wird sie Leobgytha, die Liebgute genannt
Ihre Erziehung erhielt sie im Kloster Winburn, dem die berühmte Tetta als Äbtissin vorstand.
Schon in den Jahren ihrer Erziehung zeichnete sie sich durch unausgesetzte Tätigkeit, durch ihren Eifer im Gebete und in Erlernung heilsamer Kenntnisse aus.
Sie sah alle Mitschwestern als ihre Lehrerinnen an und lernte von allen.
Sie lernte die lateinische Sprache in kurzer Zeit so gründlich, daß sie die schönsten lateinischen Briefe schreiben konnte.
Selbst mehrere sehr gute lateinische Gedichte haben wir von ihrer Hand.
In einem Briefe an den heiligen Bonifazius, den sie aus Winburn an ihn schrieb, bittet sie diesen um sein Gebet für ihren verstorbenen Vater.
Zugleich empfiehlt sie ihm ihre Mutter, die eine Verwandte des Apostels der Deutschen war.
Als der heilige Bonifazius sah, wie notwendig zur religiösen Bildung der Deutschen die Frauenklöster seien, berief er mehrere gottgeweihte Jungfrauen aus England.
Unter denjenigen, die er verlangte, war auch seine Verwandte Lioba.
Der Ruf von ihrer Frömmigkeit und ausgezeichneten Zucht war ihm durch ihre Oberin kund geworden.
Ihre vortrefflichen Talente und Kenntnisse kannte er aus den Briefen, die sie an ihn geschrieben hatte.
Der würdigen Oberin Tetta fiel es schwer, diese ihre geistliche Tochter, den kostbaren Schatz ihres Klosters, herzugeben.
Sie konnte jedoch dem Verlangen des großen Apostels Deutschlands nicht widerstehen.
Lioba kam ungefähr um das Jahr 748 mit mehreren anderen Nonnen unter dem Geleite des frommen Abtes vom Kloster Fritzlar, des heiligen Wiethbert, nach Deutschland.
Der heilige Bonifazius hatte kurz vorher in Würzburg einen Bischofssitz errichtet und den heiligen Burkhard zum Bischof von Würzburg geweiht.
Jetzt ging es mit der schon früher begonnenen Bekehrung des Frankenlandes sehr rasch.
Dir Gründung von mehreren Frauenklöstern trug dazu ungemein viel bei.
In Kitzingen und Ochsenfurt waren schon solche Pflanzstätten der Gottseligkeit gegründet und heiligen Frauen aus England übergeben.
Auch in Bischofsheim an der Tauber, zwischen Wertheim und Königshofen, wurde ein Frauenkloster gegründet und vom heiligen Bonifazius der heiligen Lioba übergeben.
In dem neu gegründeten Kloster sammelte sich bald eine große Anzahl frommer Jungfrauen.
Viele vornehme und angesehene Eltern übergaben ihre Töchter dem Kloster zum Unterrichte und zur Erziehung.
Viele von diesen Zöglingen gewannen das gottgeweihte Leben lieb und entschlossen sich, in dem selben zu bleiben und ihr Seelenheil zu sichern.
Das ausgezeichnete Beispiel eines heiligen Lebens zog viele Frauen aus den höchsten Ständen so an, daß sie die Welt verließen und den Schleier nahmen.
Das Kloster wurde bald so berühmt, daß man in andern Klöster sich von Bischofsheim Abtissinen und Lehrerinnen erbat, welche die heilige Zucht und die klösterliche Ordnung, wie sie im Mutterkloster gehalten wurde, allenthalben befördern mußten.
In der ganzen Umgegend fand sich nicht leicht ein Kloster, in dem nicht Schülerinnen der heiligen Lioba waren.
Lioba war eine Frau von seltenen Tugenden, von engelgleichem Angesichte, sanft in ihrer Rede, von klarem Verstande und großer Umsicht, katholisch im Glauben, unerschütterlich in ihrer Hoffnung und unbegrenzt in ihrer Liebe.
So schildert der Verfasser ihrer Lebensgeschichte die große Frau.
Dann rühmt er die Festigkeit ihres Willens, die Sanftmut und Milde ihres Herzens und ihre ausgezeichnete Selbstverleugnung und Abtötung.
Jeden Augenblick, der nicht dem Gebete und der Betrachtung gewidmet war, verwendete sie auf Lesung und Studium.
Nur wenige Stunden gönnte sie ihrem Leibe den erquickenden Schlaf.
Nur kurze Zeit wurde auf die Mahlzeit verwendet.
Außerdem kamen die heiligen Bücher nie aus ihrer Hand.
Von frühester Jugend war sie in der Grammatik und in den schönen Künsten unterrichtet worden.
Nun war sie bemüht, durch fortgesetzte Anstrengung den höchsten Gipfel wissenschaftlicher Bildung und geistiger Vollkommenheit zu erreichen.
Durch ihren ausgezeichneten Fleiß gelang es ihr, sich mittelst ihrer vortrefflichen Talente hohe Gelehrsamkeit zu erwerben.
Vor Allem forschte sie in den heiligen Büchern des alten und neuen Testamentes.
Die heiligen Lehren der Offenbarung prägte sie unauslöschlich ihrem Geiste ein.
Zugleich las und studierte sie die Schriften der heiligen Väter und die Beschlüsse der Konzilien.
In all ihren Anordnungen und Handlungen war sie eben so vorsichtig als klug.
Nie ließ sie das Ziel ihres Strebens aus dem Auge.
Wozu sie sich einmal entschlossen hatte, das führte sie auch mit Gottes Beistand durch.
Bei all ihrem Eifer offenbarte sich eine außerordentliche Mäßigung.
Sie erkannte gar wohl, daß Frische und Lebendigkeit des Geistes notwendig sei, wenn man mit Innigkeit und Sammlung beten wolle, und daß der Geist durch übermäßige Anstrengung für das Studium untüchtig werde.
Darum drang sie darauf, daß die Nachtruhe nicht gestört werde, und daß die Schwestern während des Sommers auch nach dem Mittagessen eine kurze Zeit ruhen sollten.
Wollte sich eine Schwester in ihrem Eifer dieser Ordnung nicht unterziehen, so wies sie die selbe zurecht.
Wenn sie selbst sich zur Ruhe legte, ließ sie sich immer vorlesen.
Dies Geschäft hatten die Zöglinge abwechselnd zu besorgen.
Diese erfuhren gar oft, wie aufmerksam die Schlummernde die Lesung anhörte.
Wo sie nur eine Silbe aus ließen oder ein Wort falsch lasen, wurden sie von ihr zurechtgewiesen.
Wenn sie meinten, die Oberin sei fest eingeschlafen und wenn sie zur Erprobung dessen absichtlich falsch lasen, vernahmen sie jedesmal diese Zurechtweisung.
Es war, als wenn ihr Geist unablässig wach bliebe.
Obgleich sie von allen Schwestern als Oberin und wegen ihrer ausgezeichneten Eigenschaften und Tugenden mit der größten Ehrerbietung behandelt wurde, so hielt sie sich dennoch für die geringste von allen.
Sie sprach dies nicht bloß in Worten aus, sondern sie verrichtete gar oft die Arbeiten der niedrigsten Mägde.
Immer wusch sie selbst den gastlich aufgenommenen Frauen die Füße.
Hatte man nichts mehr, um die Fremden zu speisen, so fastete sie und gab ihren Anteil den Besuchenden.
Ihrem Beispiele folgten auch die Schwestern.
So konnte man in diesem Kloster die Gastfreundschaft in einer ganz ausgezeichneten Weise ausüben.
Ebenso ausgezeichnet wie ihre Demut war auch ihre Sanftmut.
Nie hörte man von ihr ein Wort des Unmuts oder der Gereiztheit.
In allen wichtigen Angelegenheiten fragte sie den heiligen Bonifazius um Rat und immer befolgte sie den gegebenen Rat mit strenger Gewissenhaftigkeit.
Während alle Angelegenheiten des Klosters in bester Ordnung und die Dienerinen Gottes eifrigst bemüht waren, auf dem Wege der Vollkommenheit fortzuschreiten, brach ein fürchterlicher Sturm über das Kloster los.
Auf Gottes Zulassung kam das ganze Haus in den übelsten Ruf, obgleich das Gewissen aller Bewohner des selben vollkommen rein war.
Anlaß zu dieser schmählichen Verleumdung gab eine Person, die von den Wohltaten lebte, die sie an der Klosterpforte empfing.
Diese Person war geschändet worden und hatte dann, um ihre Schande u verbergen, ihr Kind in die Tauber geworfen, die hart am Kloster vorbei fließt.
Ein Weib das Wasser schöpfte, fand das tote Kind im Flusse und machte die Sache ruchbar.
Gewissenlose Leute verbreiteten schleunigst das Gerücht, das ertränkte Kind gehöre ins Kloster.
Die grausame Mutter bemühte sich am meisten, diese schändliche Lüge zu verbreiten, damit sie vom Verdachte der Schandtat und des Kindesmordes frei bleibe.
Die heilige Lioba war über diese Verleumdung schmerzlich betrübt.
Obwohl sie von der Unschuld all ihrer Mitschwestern vollkommen überzeugt war, so stellte sie dennoch die strengste Untersuchung an.
Sie war dadurch in ihrer guten Meinung nur noch mehr bestärkt.
Nun erinnerte man sich, daß eine der Schwestern, mit dem Namen Agatha, kurze Zeit vorher auf Geheiß ihrer Eltern nach Hause kommen mußte, weil noch Familienangelegenheiten zu ordnen waren.
Lioba ließ diese sogleich zurück kommen.
Agatha vernahm, welch ein Verbrechen man ihr zumute.
Sie konnte nur jammern und weinen und Gott bitten, daß er ihre Unschuld offenbare.
Die strengste Untersuchung stellte auch sie als eine Unschuldige dar.
Nun forderte Lioba ihre Mitschwestern auf, insgesamt durch Beten und Bußübungen Gott zu bestürmen, er wolle in seiner Barmherzigkeit ihre Unschuld offenbaren, damit dies schreckliche Ärgernis von dem gottgeweihten Hause abgewendet werde.
Während dieser Bet- und Bußtage war die unmenschliche Mutter, die ihr Kind ertränkt hatte, von einer höchst schmerzlichen Krankheit befallen.
Noch mehr als die leiblichen Schmerzen peinigten sie die Gewissensbisse über ihr Verbrechen.
Sie gestand öffentlich ihre Missetat und durch dieses Geständnis wurde die fromme Genossenschaft von allem bösen Verdachte gerechtfertigt.
Dieser Sturm war der ganzen Genossenschaft ein Anlaß zur ernsten Selbstprüfung und zur Verdemütigung vor dem Herrn.
Alle waren nun voll Dankes gegen den Herrn, daß er es übernommen hatte, ihre Unschuld an den Tag zu bringen und ihre Ehre zu retten.
Lioba aber wachte mit um so größerer Sorgfalt über ihre geistlichen Töchter und ermahnte sie um so dringender, dem Herrn treu zu bleiben und auf dem Wege der Vollkommenheiten fortzuschreiten.
Sie selber aber demütigte sich noch mehr vor dem Herrn und allen seinen Dienerinen und war nie müde, allen Gutes zu erweisen, denen sie nur immer zur Hilfe sein konnte.
Auf solche Weise erwarb sie sich nicht allein die Liebe ihrer Untergebenen, sondern auch die Verehrung aller, die sie kennen lernten. Selbst der König Pipin der Kleine und seine Söhne Karl und Karlmann suchten ihren Umgang.
Karl der Große ehrte sie wegen ihrer Frömmigkeit und wegen der himmlischen Weisheit,womit sie der Herr begnadigt hatte.
Öfters ließ er sie an seinen Hof kommen und fragte sie um Rat.
Karls Gemahlin, die fromme Hildegardis, liebte sie wie ihr Leben und wollte sie immer bei sich haben.
Aber Lioba vermied das Getümmel des Hoflebens und bewahrte den Frieden ihres Herzens in der verborgenen Zelle.
Die Sorgfalt für ihre Untergebenen und für die durch sie errichteten und geleiteten Klöster ging ihr über alles.
Öfter kam die Heilige in das von Sturmio gestiftete und geleitete Kloster nach Fulda.
Was sonst keiner Frau gestattet war, nämlich mit den Mönchen den Chor zu beten, das wurde ihr erlaubt.
Ihre Wohnung hatte sie jedesmal in der Pilgerzelle.
Hier kam sie mit dem heiligen Bonifazius, ihrem Verwandten, zusammen.
Dieser empfahl sie bei seiner letzten Reise nach Friesland noch besonders seinem Nachfolger Lullus.
Zugleich verordnete er, daß ihr Leichnam neben dem seinigen in Fulda begraben werden sollte.
Nach dem Tode des heiligen Bonifazius (755) lebte die Heilige noch gegen achtzehn Jahre.
Ihre letzten Lebensjahre brachte sie in dem von ihr gegründeten Kloster Schornsheim, zwei Meilen von Mainz, in unablässigem Beten und Fasten zu.
Hier wollte sie, befreit von aller Sorgenlast für Andere, in stiller Ruhe sich für die ewige Ruhe vorbereiten.
Nur wenige Schwestern waren bei ihr.
Mit diesen lebte sie ein himmlisches Leben.
Nur ein einziges Mal wurde sie aus tiefer Einsamkeit heraus gerissen.
Die Königin Hildegardis hielt sich eben in Aachen auf und erfuhr den Aufenthalt der hoch verehrten Lioba in Schornsheim.
Sie wünschte, die Heilige nochmal zu sehen und ließ sie bitten, nach Aachen zu kommen.
Lioba besuchte die Königin und nahm nach kurzem Aufenthalte dort herzlichen Abschied von ihr auf die Ewigkeit.
In das Verlangen der Königin, daß sie in Aachen bleibe, konnte sie nicht einwilligen.
Beide fühlten das Herannahen der letzten Stunde und bereiteten sich allen Ernstes auf die große Wanderung in die Ewigkeit vor, Hildegardis in ihrer Königsburg, Lioba in ihrer Zelle.
Am 28. September 772 verschied die Heilige sanft und selig.
Ihr hat man die Begründung und Ordnung des Klosterlebens in Franken zu danken.
Schon in ihrem Leben genoß sie die Verehrung ihrer Zeitgenossen.
In den Zeiten Ludwig des Frommen und Karl des Kahlen wurde sie allgemein als eine Heilige verehrt.
Ihre heiliger Leichnam wurde zu Fulda neben dem Grabe des heiligen Bonifazius zur Erde bestattet, wie dieser Heilige es verordnet hatte.
Nach der Übertragung der selben auf den St. Petersberg ließ der Erzbischof von Mainz, Rhabanus Maurus, diese Reliquien wieder in die Kirche bringen, in der sie ursprünglich bestattet waren.
Dort ruhen sie noch in einem freundlichen Grabmahl.
Der selbe Erzbischof nahm sie auch nach dieser feierlichen Übertragung in sein Martyrologium auf.
Schon bald nach ihrem Tode geschahen an ihrem Grabe viele Wunder.
Noch mehr verherrlichte der Herr seine treue Dienerin bei der feierlichen Übertragung ihrer Reliquien durch neue Wunder, die der Beschreiber ihres Lebens, Rudolf von Fulda, mit eigenen Augen ansah und der Nachwelt schriftlich aufbewahrte.
Ihr Fest wird am Tage ihres Todes, den 28. September gefeiert.
(Bolland. Seiters.)
Quelle:
- BAVARIA SANCTA - Leben der Heiligen und Seligen des Bayerlandes
zur Belehrung und Erbauung für das christliche Volk - Bearbeitet von Dr. Modestus Jocham, Professor der Theologie und erzbischöflicher geistlicher Rat - Mit Gutheißung des hochwürdigsten Erzbischöflichen Ordinariats München - Freising, (1861)
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