Die heilige Mathildis, Königin -
- Festtag, Gedenktag ist 14. März
- * in ?
- † am 14. März 968
In jener Zeit, als Conrad I. das deutsche Reich regierte, lebte in Westfalen ein Graf mit dem Namen Dietrich, ein Abkömmling jenes Sachsenfürsten Witekind, der selbst sich zum Christentum bekehrt und seine Untertanen zur Aufnahme des christlichen Glaubens bewogen hatte.
Seine Gemahlin war Reinhildis, aus dem Geblüte der Herzoge von Dänemark und Friesland entsprossen.
Dieses adelige Ehepaar hatte eine Tochter Namens Mathildis.
Schon als Kind wurde die selbe der Großmutter von väterlicher Seite, Mathildis, zur Erziehung übergeben.
Diese war Äbtissin des Klosters Herevord, in der Grafschaft Ravensberg, und unterrichtete ihre Enkelin mit mütterlicher Sorgfalt in der Lehre des Heils und gewöhnte sie an fromme Übungen und an emsige Arbeit.
Die Jungfrau war bald ein Vorbild in allen Tugenden und der Schönheit ihrer Seele entsprach Wohlgestalt und Freundlichkeit im Äußeren.
Der Ruf von der Schönheit und den Tugenden der jungen Gräfin verbreitete sich außer den Mauern des Klosters und Heinrich, der Sohn des Sachsen-Herzogs Otto, wünschte sie als seine Gemahlin zu erhalten.
Er begab sich mit reichlichen Brautgeschenken ins Kloster und warb bei der Äbtissin um die Hand der Enkelin.
Die Äbtissin erklärte, es müsse vor allem die Einwilligung der Eltern eingeholt werden.
Von den Eltern habe sie die Jungfrau übernommen, den Eltern müsse sie die selbe wieder zurück geben.
Heinrich erhielt die Einwilligung der Eltern und feierte bald darauf (913) in dem Städtchen Walhausen festliche Hochzeit.
drei Jahre darauf starb Herzog Otto, der seine liebenswürdige Schwiegertochter außerordentlich lieb gewonnen hatte, und Heinrich ihr Gemahl, wurde Herzog von Sachsen. (30. Nov. 916)
Vom ersten Tage der Vermählung an hatte Mathildis mir ihrem Manne in innigster Eintracht gelebt.
Gemeinschaftlich hatten sie ihre Gebete verrichtet, in Werken der Barmherzigkeit hatten sie mit einander gewetteifert; jedes hatte das andere erbaut.
Jetzt mußte der fromme Gemahl der Sorgfalt für das Wohl des Landes seine meiste Zeit widmen, Kriege führen und in den ihm unterworfenen Ländern christliche Zucht und Ordnung begründen.
Während dessen oblag Mathildis dem Gebete, speiste und kleidete Christum in den Armen und brachte Trost und Hilfe allen Bedrängten.
Alle Pracht und Eitelkeit der Welt trat sie mit Füßen und Kleinodien und Seide, worin sie erscheinen mußte, waren ihr nur ein Anlaß, sich noch tiefer zu verdemütigen vor dem Herrn, der einst in Armut unter den Menschen wandelte und nichts hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte.
Aus Liebe zu ihrem Heiland versagte sie sich die Ruhe und brachte mehrere Stunden der Nacht im Gebete und in heiliger Betrachtung zu.
Diese Übung setzte sie mit Wissen und Willen ihres frommen Gemahls fort, auch wo er nach Beendigung der Kriege zu Hause im Frieden lebte.
Zwei Jahre, nachdem Heinrich die Herrschaft über die von seinem Vater ererbten Länder angetreten hatte, starb der deutsche König Konrad I.
Jetzt wurde Heinrich von den Großen des Reiches zum Könige der Deutschen erwählt. (918)
Als solcher unterwarf er sich die Böhmen, die Dänen, die Slaven und die Bojoarier.
Arnulf, der Herzog der Bojoarier hatte im Bewußtsein der gewaltigen Übermacht des Königs sich und sein Volk ihm übergeben.
Heinrich nahm sich des neu erworbenen Herzogtumes mit besonderer Liebe an und förderte das Wohl des Landes aus allen Kräften.
Wo immer der König von seiner Strafgewalt Gebrauch machen mußte, da trat seine Gattin als Fürbitterin ein und erwirkte gar oft eine Milderung der Strafe.
Konnte sie keine Erhörung mehr finden, weil das öffentliche Gericht den Spruch schon getan hatte, dann war sie untröstlich, und der König trauerte mit ihr; denn auch er fürchtete das Wort des ewigen Richters, der einst gesprochen:
„Richtet nicht, damit auch ihr nicht gerichtet werdet” (Matth. 7,2.)
Der gütige Gott schenkte diesem frommen Ehepaare mehrere Kinder.
Der älteste Sohn Otto war ihnen geboren worden, noch ehe die Königskrone das Haupt des Vaters zierte.
Der zweite war Heinrich, der dem Vater als Herzog von Bayern folgte, und dessen Enkel, Heinrich der Heilige, römischer Kaiser wurde.
Der jüngste Sohn hieß Bruno.
Außerdem hatten sie mehrere Töchter.
Je günstiger die Verhältnisse und je glänzender das Familienglück sich gestaltete, desto tiefer verdemütigten sich die treuen Ehegatten vor dem Herrn, desto entschiedener verachteten sie allen irdischen Glanz und desto eifriger übten sie Barmherzigkeit an allen Notleidenden.
Ganz besonders lag ihnen die Herstellung von Klöstern am Herzen.
Unter den von ihnen errichteten Zufluchtsstätten frommer Andacht und Gottseligkeit wird besonders Quedlinburg erwähnt.
Nachdem das königliche Ehepaar über dreißig Jahre in himmlischen Frieden vereint dem Herrn gedient und das Wohl der Untertanen gefördert hatte, rückte die Stunde der Trennung heran, auf welche für die überlebende Königin viele schwere Heimsuchungen folgten.
Der König begab sich öfter nach Bautzfeld, einem Orte zwischen Mansfeld und Quedlinburg, auf die Jagd.
Hier wurde er einst plötzlich von einem Unwohlsein befallen, das er als einen Vorboten des Todes erkannte.
Er berief noch die Mächtigen des Reiches nach Erfurt, um sich über seinen Nachfolger in der Regierung mit ihnen zu beraten.
Als diese Angelegenheit bereinigt war, begab er sich mit wenigen Gefährten nach Memleben.
Als die Krankheit sich verschlimmerte, bereitete der König sich zum Tode vor.
Er ließ die Königin zu sich kommen und redete Vieles mit ihr ohne Zeugen.
Dann sprach er noch in Gegenwart seiner Diener:
„Meine treueste und geliebteste Gattin, ich danke Christo von ganzem Herzen, daß du mich überleben kannst.
Nie ist ein Weib treuer an ihrem Manne gehangen, nie war ein Band heiliger und segenvoller, als dasjenige, das dich mit mir vereinte.
Deine Milde hat meinen Zorn gebrochen; deine Weisheit hat mir heilsame Ratschläge eingegeben.
Oft hast du mich von bösem Wege auf die Bahn der Gerechtigkeit geleitet; oft hast du mich gemahnt, an Bedrängten Barmherzigkeit zu üben.
Gott vergelte dir Alles! Nun empfehle ich dich und unsere Kinder dem allmächtigen Gott und der Fürbitte seiner Auserwählten.
Ihm empfehle ich auch meine Seele, die bald vom Leibe scheiden wird.”
Nachdem er dieses gesprochen, dankte ihm auch die Königin für seine treue Liebe und begab sich, erfüllt von bitterem Schmerzen, in die Kirche, um sich und alle ihre Angelegenheiten in gewohnter Weise dem Herrn zu empfehlen.
Indessen verschied der König.
Der Jammer des in die Kirche eindringenden Volkes bezeugte der Königin, daß seine Scheidungsstunde vorüber sei.
Nun warf sie sich auf ihr Angesicht nieder und betete für den Verstorbenen.
Sobald sie sich von ihrem Gebete erhoben hatte, fragte sie, ob noch eine Priester da wäre, der nichts genossen hätte und für den Verstorbenen das heilige Opfer darbringen könnte.
Sogleich erbot sich der Priester Adeldok, der den ganzen Tag gefastet hatte, dieses Werk der Barmherzigkeit dem verstorbenen König zu erweisen.
Die Königin trug kostbare und kunstreiche Armbänder, die so befestigt waren, daß sie die selben selbst nie ablösen konnte.
Aber im Augenblicke, da sie diese Antwort vom Priester Adeldok vernahm, streifte sie diese Armbänder ab und gab sie dem Priester.
Auch vergaß sie es ihm ihr ganzes Leben nie, daß er ihrem Manne diese Gnade erwiesen hatte.
Später vermochte sie ihren Sohn, den König Ott I., diesem würdigen Diener des Herrn das Erzbistum Hamburg zu übergeben, wo der selbe höchst segensreich an der Bekehrung der Dänen arbeitete und die ersten Bischöfe für dieses Land weihte.
Nachdem die Messe vorüber war, begab sie sich in das königliche Gemach.
Hier stürzte sie zu den Füßen des entseelten Königs nieder, und ein Strom von Tränen floß über ihre Wangen.
Die königlichen Prinzen und Töchter nebst den Großen des Reiches waren hier versammelt.
Die Königin wußte ihren Schmerz so zu mäßigen, daß alle über ihre Selbstbeherrschung erstaunten und mit ihr das innigste Mitleid hatten.
Mit Gewalt sich von den Füßen des teuren Gemahls erhebend, wendete sich die Königin jetzt an ihre Kinder und sprach:
Das hat Gott getan, meine geliebtesten Kinder! Er allein ist König und Herr; vor ihm sind Arme und Reiche ganz gleich.
Er macht keinen Unterschied.
Darum präget euern Herzen die heilige Furcht des Herrn ein und ehret ihn, der die Macht hat, Solches zu tun.
Streitet nicht um vergängliche Würde.
Alle Herrlichkeit der Welt nimmt solch ein Ende.
Selig, wer sich vorbereitet für die ewige und unvergängliche Herrlichkeit.
Der Vorzug des Einen vor dem Andern soll euer Herz nicht betrüben; denn im Evangelium heißt es:
„ Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedriget werden; und wer sich selbst erniedriget, wird erhöht werden.” (Luk. 14,11.)
Darauf wurde der Leichnam des Königs, wie er früher verordnet hatte, in Quedlinburg feierlich zur Erde bestattet.
Die Königin aber bewerkstelligte noch die Übersiedelung der Klosterfrauen von (Winithufen) Westerhausen in das neu erbaute Kloster Quedlinburg, damit am Grabe ihres verstorbenen Gemahls unablässig Gebete dar gebracht würden.
Bald darauf versammelten sich die Großen des Reiches zur Wahl eines neues Königs.
Mehrere derselben stimmten für Heinrich, den Jüngeren weil er geboren war, da sein Vater schon als König über Deutschland herrschte.
Dieser war auch der Liebling der Mutter und hatte deswegen von seinem älteren Bruder Otto von Jugend auf viel zu leiden gehabt.
Aber durch Gottes Fügung wurde Otto als König gewählt, und die Uneinigkeit unter den Brüdern wurde dadurch beigelegt, daß Otto seinen jüngeren Bruder sogleich mit dem Herzogtume Bayern belehnte.
Bruno, der jüngste Sohn des Königs, hatte sich für den geistlichen Stand entschieden und war damals noch in den Schulen.
Er zeichnete sich eben so durch seine Frömmigkeit, wie durch Fortschritte in den Studien aus, und wurde der Ratgeber seines königlichen Bruders Otto in allen geistlichen Angelegenheiten.
Später wurde er auf den erzbischöflichen Stuhl von Köln erhoben und stellte als solcher in den ihm anvertrauten Kirchen und Klöstern christliche Zucht und Ordnung wieder her.
Wegen seiner ausgezeichneten Tugenden und insbesondere wegen seines Eifers für die Ehre Gottes und das Wohl der Kirche wird er als „Seliger” verehrt.
Nach dem Tode ihres Gemahls entschloß sich die fromme Königin, allen weltlichen Geschäften ganz zu entsagen und nur für den Herrn zu leben.
Gründliche Gottesfurcht bewahrte in ihr eine solche Demut und Bescheidenheit, daß man sie vielmehr für eine gottgeweihte Jungfrau als für eine königliche Mutter gehalten hätte.
Unablässig oblag sie dem Gebet, um die notwendige Gnade zur Überwindung aller Versuchungen des Teufels zu erlangen.
Nur wenige Zeit widmete sie dem Schlafe.
Wo Alles im tiefen Schlafe lag, und sie unbemerkt sich entfernen konnte, begab sie sich mit einem frommen Dienstmädchen in die Kirche, um das Lob Gottes zu singen.
Oft brachte sie ganze Nächte im Gebete vor dem Allerheiligsten zu.
Nie erschien sie mit leeren Händen beim heiligsten Opfer.
Ganz besonders nahm sie sich in ihrem Gebete der armen Seelen an, um ihnen den Eingang in die himmlischen Freuden zu erbitten.
Oft hatte sie, ehe die Morgenröte anbrach, schon den ganzen Psalter, sämtliche Psalmen Davids, gebetet.
Dann begab sie sich wieder in ihr Gemach, damit die Leute, wenn sie aufstanden, meinen sollten, sie hätte die ganze Nacht geruht.
Hatte sie einige Zeit geruht, dann ging sie wieder an ihre Tagesgeschäfte.
Täglich strömte eine Menge Armer zu ihrer Wohnung um von ihrer Hand Nahrung und Kleidung zu erhalten.
Sobald die Kunde davon zu ihr kam, verließ sie ihr Zimmer und teilte an alle aus, soviel sie bedurften.
Dann begab sie sich in ihrem Wittwengewande, das sie nie mehr mit einem andern vertauschte, in die Kirche, dem heiligen Messopfer beizuwohnen.
Ihre Gegenwart in der Kirche war für alle Anwesenden eine Aufforderung zur Andacht; denn ihre gottinnige Herzensstimmung prägte sich in ihrem ganzen Wesen aus.
Keinen Augenblick während des ganzen Tages war sie ohne Arbeit.
Freigebig gegen alle, war sie äusserst sparsam für sich selbst.
Mit der gewöhnlichsten Nahrung, die sie höchst mäßig genoss, vollkommen zufrieden, ließ sie die besseren Speisen an Kranke Arme verteilen.
Nur die Bösen konnten ihr Feind sein; alle Guten ehrten und liebten sie.
Sie aber ertrug alle Anfeindungen mit himmlischer Geduld und betete für ihre Feinde.
Selten sah man sie aufgeregt, nie aber erzürnt.
In der Trauer wußte sie sich ebensowohl wie in der Freude zu beherrschen; darum sah man sie nie mutlos und nie unmäßig lachen.
Von ihren Einkünften gab sie immer, schon beim Empfang der selben, den zehnten Teil den Armen und den Dienern der Kirche.
Wo sie die Gaben nicht selbst hin tragen konnte, dahin sendete sie dieselben durch verläßliche Diener.
Gegen diese segenvolle Tätigkeit erregte der Feind alles Guten einen heftigen Sturm.
Es kam nach Gottes Fügung über die heilige Königin eine Heimsuchung weit härterer Art, als der Tod ihres Mannes gewesen.
Sie wurde bei ihren Söhnen verleumdet, als hätte sie unermeßliche Schätze widerrechtlich sich angeeignet und zusammengehäuft, und als verschleudere sie diese Schätze an nichts würdige Leute.
Der König ward darüber äusserst aufgebracht und stellte unerschwingliche Forderungen an seine Mutter.
Sie sollte alles vergüten, was sie an die Armen ausgeteilt hatte.
Mit ihm verband sich sein Bruder, Herzog Heinrich.
Die Feindseligkeit ihres Lieblings, des jüngeren Heinrich, tat der guten Mutter noch am wehesten.
Allein sie erkannte darin eine göttliche Strafe für die übermäßige Liebe, womit sie ihn früher bevorzugt hatte.
Auch in dieser Heimsuchung bewährte sich die ausgezeichnete Tugend der Königin.
Nie vernahm man von ihr ein Wort des Tadels über ihre Söhne.
Sie wußte es, daß man nur durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen können, und daß nur denjenigen, die ausharren bis ans Ende, die Krone des ewigen Lebens zu Teil wird.
Klagte Jemand über die Verleumdungen und die üble Behandlung, welche ihr von den eigenen Söhnen widerfuhr, so entgegnete sie:
„daß König Otto wider mich ist, das habe ich verdient.
Denjenigen, der meinen geliebten Sohn Heinrich wider mich aufgehetzt hat, kennt Gott.
Ich hoffte immer, dieser würde mein Trost sein in allen Widerwärtigkeiten, die mir begegnen könnten; nun ist auch er zur Plage mir geworden.
Übrigens werde ich nie gestatten, daß man vor mir über ihn Böses rede; denn ich hege noch immer herzliche Liebe gegen ihn, obgleich man ihn für meinen Feind hält.
Das fällt mir allein so schwer, daß er so erbittert gegen mich ist, da ich ihn doch so sehr liebe.
Er würde übrigens nicht so sein, wenn nicht der König ihn unterstützte.
Gott verzeihe es ihm und wolle ihn dafür nie strafen!
Möchte die Sache doch so ausgehen, daß keiner von Beiden darunter zu leiden hätte!
Möchte nur ihre Eintracht eine so feste sein, daß nie mehr eine Feindschaft unter ihnen entstehen könnte!”
Als die fromme Königin sah, daß die Feindseligkeiten kein Ende nahmen, verzichtete sie auf alle von ihrem Manne ihr zugesicherten Einkünfte, begab sich in das Kloster Engern und führt dort ein heiliges Leben.
Die beiden Söhne mußten das an der Mutter verübte Unrecht schwer büßen.
Otto erlitt mehrere harte Niederlagen im Kriege.
Sein Glück hatte ihn verlassen und seine Feinde triumphierten über ihn.
Heinrich wurde von einer schmerzlichen Krankheit befallen und büßte darin für seine Schuld.
Die Mutter erflehte ihm die Wiedergenesung.
Als der König Otto sah, daß ihn das Unglück auf allen Seiten verfolgte, ward er recht niedergeschlagen und betrübt bis zum Tode.
Die Bischöfe und Priester, die von Gott erleuchtet die Ursache all dies Unheils erkannten, wendeten sich an Edith, die Gemahlin des Königs, und baten sie, sie möchte doch all ihren Einfluss auf den König aufbieten, eine ehrenvolle Rückkehr der Königin-Mutter zu erwirken.
Diese begab sich sogleich zum Könige und sprach zu ihm:
„Gottes Strafrute hat dich getroffen, mein König und Herr!
Dies Elend soll endlich ein Ende nehmen!
Rufe deine heilige Mutter wieder zurück!
Sie soll, wie sichs ziemt, die höchste Ehre im Reiche einnehmen.
Dann wirst du wieder Glück haben, und Alles wird wieder werden, wie es früher gewesen.”
Der König ward durch diese Rede im Innersten seiner Seele bewegt.
Durch Gottes Gnade erleuchtet, erkannte er seine Versündigung an seiner Mutter, und augenblicklich ordnete er eine Sendung von Bischöfen, Herzogen und Grafen ab, welche seine ehrwürdige Mutter in größten Ehren wieder zurück bringen sollten.
Er selbst schrieb an sie also:
„Ehrwürdigste Frau! Schon genug und im Übermaße habe ich den Zorn Gottes gereizt durch mein feindseliges Benehmen gegen dich.
Ich bekenne es, daß ich gesündigt und ungerecht an dir gehandelt habe.
Um Gottes willen vergib mir und erwirke mir durch dein Gebet von Christo die Gnade der Verzeihung.
Gerne will ich jede Strafe leiden, wenn ich nur deine Hand wieder gewinne.
Ich bitte, komme wieder zu uns; wir werden uns in Allem deinem Willen unterwerfen, und ich will dir Alles wieder zurück geben, was wir dir genommen haben.
Es kann uns nicht mehr wohl werden, bis es uns gegönnt ist, dein Angesicht wieder zu sehen.”
Voll Freuden und in gänzlichem Vergessen auf Alles, was sie in dieser zeit der Verfolgung erduldet hatte, beschleunigte die heilige Königin ihre Abreise und kam alsbald nach Gronde an der Weser, auf das Schloß ihres königlichen Sohnes.
Sobald diesem die Ankunft seiner Mutter gemeldet wurde, ritt er ihr, von seiner Gemahlin Edith begleitet, sehr weit entgegen.
Als er sie von weitem kommen sah, stieg er vom Pferde, nahte sich ihr, fiel mitten im Wege auf seine Kniee nieder und bat sie um Verzeihung.
Alles Unheil das ihn betroffen, bekannte er als eine Folge seiner Sünde an der geliebten Mutter.
„Denn, so sprach er, seitdem du aus deinem Besitztum vertrieben bist, hat sich das Kriegsglück gewendet, ist meine Macht gebrochen, haben meine Feinde meistens die Oberhand gewonnen.”
Die Augen voll Tränen , wendete sich die königliche Mutter zu ihrem Sohne hin und gab ihm, als hätte sie nie etwas Leids von ihm erfahren, den Friedenskuss.
Dann sprach sie:
„Betrübe dich nicht mein Sohn! Ich hoffe zuversichtlich, daß du Verzeihung von Gott erlangest.
Denn hätte ichs durch meine Sünden nicht verschuldet, so wäre mir von dir kein Leid widerfahren.
Der barmherzige Gott verleihe uns nach seiner unaussprechlichen Erbarmung Verzeihung unserer Sünden, Er, der immer bereit ist, dem Büßer zu verzeihen, wenn er die begangenen Sünden vollkommen beweint und sie nicht mehr begeht.”
Als Herzog Heinrich von der Versöhnung seines Bruders mit der Mutter Kunde erhielt, ging auch er in sich, bereute seine Feindseligkeit und machte sich auf den Weg zu ihr.
Bei ihr angekommen, sprach er:
„Ehrwürdige Frau, und wenn ich noch so sprechen darf, teuerste Mutter! ich bekenne es, daß ich mich schwer gegen deine mütterliche Liebe versündigt habe.
Nun bitte ich um Verzeihung.
Ich bin derselben nicht wert, aber ich bitte dich bei der Seele und bei dem Namen unseres seligen Vaters, nimm mich wieder in Gnaden auf, daß mir deine Huld werde, wie ehedem.
Ich zweifle nicht, daß ich von meinem Heilande Verzeihung erlangen werde, wenn du von ganzem Herzen mir verzeihst.
Seitdem ich mich mit dir entzweit habe, hat eine schwere Krankheit mich dem Grabe nahe gebracht.”
Als die ehrwürdige Frau ihren geliebten Sohn so in Tränen vor ihr stehen und kniefällig um Verzeihung flehen sah, konnte sie sich nicht mehr halten, sondern rief mit zärtlicher Mutterliebe:
„Weine nicht, mein Sohn Heinrich! Weine Nicht! denn deine Mutter kann eine solche Sprache von dir nicht ertragen.
Komme her und küsse deine Mutter!
Der getraue Gott sei dir gnädig; ich liebe dich, wie ich dich allzeit geliebt habe.
Ich weiß gar wohl, daß feindselige Menschen dich auf gereizt haben.”
Unverzüglich wurde nun die edle Frau wieder in all ihre Güter und Rechte eingesetzt, und von Stunde an war die vollkommenste Eintracht in der ganzen großen Familie.
Der unergründlichen Liebe der Mutter entsprach der ehrerbietige demütige Gehorsam der Söhne und bis ans Ende ihres Lebens konnte auch kein Funken Zwietracht dies friedliche Verhältnis mehr stören.
Dieser Vereinigung folgte bald eine Trennung anderer Art, die Gott selbst herbei führte.
Die Königin Edith, dieser Engel des Friedens, schied im Jahre 947 aus diesem Leben.
Otto trauerte lange über diesen unersetzlichen Verlust.
Er übte mit neuem Eifer Werke der Barmherzigkeit und widmete jede freie Stunde geistlicher Lesung, fest entschlossen, durch irdische Bande sich nicht mehr binden zu lassen.
Die Königin Mutter gründete in dieser Zeit das große Kloster Poled (Palidi) für dreitausend Mönche und übergab ihnen von ihrem Besitztum mit größter Freigebigkeit die notwendigen Gründe, daß sie die selben anbauen und davon ihr Leben fristen konnten.
Otto wurde nach dem Tode Lothars II. des Lombardenkönigs, als Berengar II. in Italien alle Ordnung zu verkehren und der Witwe Lothars sich zu bemächtigen drohte, nach Italien gerufen, um wieder Ordnung herzustellen.
Dies geschah.
Der sieggekrönte König lernte daselbst die weise und fromme Adelheid, Lothars II. Witwe, kennen und wurde mit ihr nach dreijährigem Witwenstand ehelich getraut.
Die Königin Mutter freute sich dieser edlen Schwiegermutter und der großen Siege, die ihr Sohn über die Ruhestörer in Italien errungen hatte.
Aus der neuen Ehe wurden ihr noch mehrere Enkel geboren, die sie allzeit in frommen Gebete dem Herrn zum Opfer brachte.
Bald darauf erkrankte ihr geliebter Sohn, Heinrich von Bayern.
Als er sah, daß die Krankheit immer bedenklicher wurde, reiste er noch zu seiner Mutter, in der Hoffnung, unter ihrer Pflege wieder zu genesen.
Er blieb einige Tage in Paladi.
Bei seiner Abreise von der Mutter machte ihn diese noch auf die Gefahr, in der er schwebte, aufmerksam und sagte ihm voraus, daß sie sein Angesicht nicht mehr sehen werde.
Unter häufigen Tränen gaben sie sich den Abschiedskuss, und Heinrich zog wieder nach Bayern.
Die Mutter hatte ihm noch Mehreres vorausgesagt, was ihn auf dem Wege und zu Hause treffen werde.
Die Krankheit verschlimmerte sich wirklich.
Heinrich kam in sein Land zurück und starb bald darauf.
Sein Leichnam wurde in Regensburg zur Erde bestattet.
Die Todesnachricht wurde alsbald der königlichen Mutter überbracht.
Blässe überzog ihr Antlitz, und kalter Schauer durchdrang all ihre Glieder, als sie diese Botschaft vernahm.
Nachdem der erste Schrecken sich gelegt hatte, brach sie in einen Strom von Tränen aus und weinte den ganzen Tag und nahm weder Speise noch Trank zu sich.
Dann versammelte sie die Klosterfrauen in der Kirche und bat sie, für ihren geliebten Sohn um Barmherzigkeit und Gnade zum Herrn zu flehen.
Sie selbst betete laut:
„Herr, allmächtiger Gott, erbarme dich der Seele deines Dieners, denn du aus dieser Welt scheiden ließest; gedenke, ich bitte dich, daß er auf dieser Welt gar wenig Freudiges erlebt und fast die ganze Zeit seines sterblichen Lebens in Bedrängnis und Angst zugebracht hat.”
Darauf erhob sie sich und ging hin zum Grabe ihres Gatten, legte ihr Haupt auf das Grab hin und rief unter vielen Tränen:
„O, mein Herr, um wie viel glücklicher bist du, als ich, da du diesen bitteren Schmerz in deinem Leben nicht verkosten mußtest!
Jetzt freuest du dich, und ich hoffe , in seliger Ruhe, und all unser Jammer berührt dich nicht mehr.
So oft ich des bitteren Tages deines Hinscheidens gedachte, ward ich immer aufgerichtet durch den tröstlichen Gedanken, daß unser geliebtester Sohn, der deinen Namen und dein ganzes Wesen an sich trägt, mir noch geblieben ist.”
Von diesem tage an trug die heilige Königin immer nur mehr ein einfarbiges Trauerkleid.
Nie wollte sie mehr weltlichen Gesang anhören, nie mehr ein Spiel ansehen; ihre einzige Erquickung fand sie an heiligen Gesängen, an den trostvollen Worten der heiligen Schrift und an dem Leben und Leiden der heiligen Diener Gottes.
Mit derselben Liebe, die sie bisher gegen ihren geliebten Heinrich im Herzen bewahrt hatte, liebte sie fortan alle Armen, Fremdlinge und Waisen.
Allen Bedürftigen war ihr Herz und ihre Schatzkammer unablässig geöffnet.
Sie liebte Alle mit mütterlicher Liebe, denn sie sah in jedem ihren Herrn und Heiland.
War sie in der nähe eines Klosters, so sendete sie die kostbaren Speisen den kranken Dienern Gottes; nie genoß sie selbst davon so lange sie wußte, daß sie damit einem armen Kranken dienen könne.
War sie auf Reisen eben mit Psalmengebet beschäftigt, so mußte ihre Dienstmagd, die treue Rechburgis, den Armen Almosen austeilen.
An keinem Armen durfte man vorüberfahren, ohne ihm etwas zu geben.
Mit größter Sorgfalt pflegte sie den Haushahn, der sie jede nacht zum Gebete auf weckte.
Auch der armen Vögelein im Garten nahm sie sich mit mütterlicher Sorgfalt an, streute Ihnen zur Zeit, wo sie wenig Futter finden konnten, Getreide und Brotkrusten aus und wollte auch zu ihnen, die ja unablässig den Schöpfer preisen, Barmherzigkeit üben.
In jeder Stadt, wo sie den Winter zu brachte, sorgte sie dafür, daß jedes Haus mit dem notwendigen Holze versehen werde, damit Niemand Frost leide.
Ja sie ließ auch im Freien während der Nacht Feuer anzünden, damit verirrte Wanderer sich wieder zurecht finden könnten.
Immer führte sie eine Menge Wachskerzen mit sich auf ihren Reisen, um sie an arme Kirchen und Klöster auszuteilen, daß man sie zur Verherrlichung des Gottesdienstes verbrenne.
In ganz eigentümlicher Weise feierte sie den Samstag als den Vorbereitungstag auf die Auferstehung des Herrn, als den Todestag ihres Gemahls und als ihren eigenen zukünftigen Sterbetag.
Am frühen Morgen dieses Tages, nachdem sie die Psalmen gebetet und die heilige Messe angehört hatte, ließ sie für die Armen des Ortes ein Bad bereiten.
Wo sie nur immer ungesehen es konnte, wusch und reinigte sie, die Königin, gleich der letzten Dienerin, die von Schmutz und Ungeziefer strotzenden Kinder und gab ihnen reine Wäsche.
Dann nahm sie die gereinigten in ihren Saal und gab ihnen zu essen.
Sie selbst setzte sich nie Tische, ehe sie irgend eine Arbeit vollbracht hatte, denn sie kannte das Gesetz des Apostels:
„Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.” 2. Thess. 3, 10.
An Festtagen widmete sie die ganze Zeit dem Gebete und der geistlichen Lehre.
Die Psalmen und die Aussprüche unseres Herrn hatte sie vollständig ihrem Gedächtnisse eingeprägt.
Ausserdem feierte sie alle Jahre den Todestag, den siebten und dreißigsten Tag nach dem Tode ihres Mannes.
Einst speiste sie eine zahllose Menge von Armen, die zu ihr gekommen waren.
Alle hatten sich reihenweise an einer Anhöhe nieder gesetzt.
Die Königin teilte mit eigener Hand Brot und Speisen aus.
Ihre Dienerinen unterstützten sie dabei.
Als man glaubte, alle Anwesenden hätten etwas erhalten, sagte sie auf einmal:
„Noch ist ein Hungernder unter der Menge, dem man nichts gereicht hat.”
Darauf nahm sie ein Brot, bezeichnete es mit dem Kreuze und ließ es auf den Boden fallen.
Das Brot rollte den Berg abwärts und blieb liegen zu den Füßen eines Mannes, der noch ganz nüchtern war.
Die Königin brachte alle Tage die zum Opfer notwendige Hostie in einer silbernen Kapsel zur Kirche.
Eines Tages kam diese Kapsel abhanden.
Als die Königin des andern Morgens die Kapsel verlangte, um die Hostie darein zu legen, sagte ihr die getreue Richburg dieselbe sei entwendet worden.
Die Königin ging zur Messe und betete.
Nach der Messe begegnete sie der zahmen Hirschkuh, die im Schlosse genährt wurde.
Sie stellte sich vor das Tier hin und befahl ihm, die verschlungene Kapsel wieder herzugeben.
Augenblicklich erbrach die Hirschkuh das Gefäß ganz unversehrt, und Alle erkannten dies Werk der Königin als ein Wunder.
Einst waren die Kinder ihrer Söhne, des Königs Otto und des Herzogs Heinrich, um sie versammelt.
Unter ihnen befand sich ein Sohn Heinrichs, der den Namen des Vaters trug, ein ausgezeichnet liebenswürdiger Knabe, der sich ganz besonders die Liebe der Großmutter erworben hatte.
Sie sah im Geiste voraus, daß von diesem Heinrich die größte Zierde ihres Hauses ausgehen, und daß ihm für die vielen Mühseligkeiten, die der Vater erduldet hatte, selige Tage des Friedens blühen würden.
Darüber sprach sie sich auch ganz deutlich aus, indem sie ihren geliebten Enkel küsste und segnete.
Der Erfolg bestätigte die Wahrheit dieser Vorhersagung.
Dieser Heinrich ward der Vater Heinrich des Heiligen, des römischen Kaisers.
Als die fromme Königin von der Erhebung ihres Sohnes Otto zum römischen Kaiser und von seinem segensreichen Wirken in Italien Kunde erhalten hatte, stiftete sie zur Danksagung für den göttlichen Beistand, dessen ihr Sohn auf seinen Römerzügen sich zu erfreuen hatte, in Nordhausen ein Frauenkloster für dreitausend Nonnen, die darin Gott dienen und die Gottesmutter verehren sollten.
Ihr Sohn Otto war eben zur Feier des Weihnachtsfestes in Rom (964).
Hier erfuhr er, daß seine Mutter sehnlich nach ihm verlange.
Sogleich verließ er Rom und kam am Lichtmesstag 965 nach Köln, wo sein jüngerer Bruder Bruno Erzbischof war.
Bis dahin kam ihm seine fromme Mutter mit ihrer Tochter Serwich und ihrem Enkel, dem geliebten Heinrich entgegen.
Dies war die letzte Zusammenkunft der erlauchten Familie.
Zu ihnen kam auch der Bischof Balderich von Utrecht, der Lehrer Brunos.
Dieser erteilte Allen den Segen und sprach dann zur Königin Mutter:
„Freue dich, ehrwürdige Königin, die du vom Herrn so viele Gnaden empfangen hast.
Sieh! hier schauest du, wie der Psalmensänger es ausspricht, deine Kinder und Kindeskinder, die dir der Herr geschenkt hat.”
Die fromme Mathildis war voll Dank gegen Gott und begann die Rede sogleich von dem, was ihr zunächst am Herzen lag und ihr Kummer verursacht hatte, von der Stiftung des Klosters Nordhausen.
„Dies ist das letzte Werk, das ich unternommen habe, so sprach sie.
Es ist noch nicht vollendet, und meine Lebenstage gehen zu Ende.
Alles, was ich hatte, ist den früheren Stiftungen zugewendet.
Darum empfehle ich dies letzte Werk euch Allen, daß ihr es vollendet.
Ich habe es unternommen zum Trost der Seelen euers Vaters und euers Bruders Heinrich, zugleich aber auch zur Wohlfahrt des Reiches und zum Heil und Segen für euch Alle.
”
Darauf erwiderte der Kaiser Otto: „Gott sei mit euerm Unternehmen!
Unsere Mitwirkung wird nicht fehlen.
Ich gebe meinem Sohne Otto und allen meinen Nachkommen den Auftrag, daß sie dasselbe schützen und erhalten ihr Leben lang.”
Darauf begaben sich Alle nach Nordhausen, um von dem Stande und Leben der dortigen Nonnen Einsicht zu nehmen.
Die Königin rief alle im Kloster Anwesenden zusammen, blickte freudig zum Himmel und sprach:
„Heilige Mutter Gottes und Jungfrau Maria, Königin des Himmels, nimm sie alle in Gnaden auf, daß sie Gott allein über Alles lieben, ihm mit ganzer Seele dienen, nicht nach Menschenlob trachten, sondern einzig nach der ewigen Belohnung verlangen.
Ich bitte nur darum, daß meine Kinder und Enkel an diesen gottgeweihten Jungfrauen dieselbe Barmherzigkeit üben mögen, so daß es ihnen, so lange noch von unserem Geblüte Jemand lebt, nie an Schutz und Hilfe fehlen möge.”
Der Kaiser bestätigte aufs Neue, was seine Mutter begonnen hatte, und was sie noch wünschte, zum Heile und Troste für seine Vorfahren und für seine Nachkommen.
Dann blieb man noch sieben Tage in Nordhausen.
Die Königin empfahl ihrem Sohne noch gar Vieles; denn sie wußte, daß sie ihn nicht mehr sehen werde.
Am Tage der Abreise begaben sich Alle am frühesten Morgen in die Kirche, um die hl. Messe zu hören.
Nach der Messe sprach Mathildis noch zum Kaiser:
„Mein teuerster Sohn, gedenke recht oft an das, was ich dir ans Herz gelegt habe.
Hier habe ich glückselige Tage verlebt.
Aus den größten Gefahren in Geburtsnöten hat mich der Herr hier errettet.
Hier ward dein Bruder Heinrich geboren, den ich, weil er des Vaters Namen trug, so sehr geliebt.
Hier ist auch der Geburtsort deiner Schwester Gerwich.
Weil ich durch die Fürbitte der seligsten Jungfrau hier aus allen meinen Nöten errettet wurde, darum habe ich dieses Kloster gegründet, ganz besonders zum Troste der Seelen deines Vaters und Bruders und zu deiner Wohlfahrt.
Darum sollst du, wo du immer dessen gedenkest, diesem Orte deine vorzügliche Gnade zuwenden.
Es ist dies das letzte Mal, daß wir mit einander reden.
Dieser letzte Anblick deiner Mutter bleibe dir immerdar eine Mahnung an dieses Kloster.”
Der Kaiser war innigst bewegt und versprach, alle ihre Wünsche zu erfüllen.
Darauf verließen sie die Kirche, blieben aber unter der Türe nochmal stehen.
Beiden überflossen die Augen mit Tränen.
Dann umarmten und küssten sie sich, alle Anwesenden aber weinten.
Die Königin begleitete ihren Sohn dann bis zu seinem Pferde und sagte ihm noch heiteren Blickes Lebewohl.
Darauf kehrte sie wieder zur Kirche zurück, an den Ort hin, wo der Kaiser während der Messe gestanden war.
Hier fiel sie auf ihre Knie nieder und küsste weinend die Fußtritte ihres kaiserlichen Sohnes.
Der Graf Witigo sah dieses und hinter brachte es dem Kaiser.
Dieser stieg eilends vom Pferde, rannte in die Kirche, traf da seine weinende Mutter, fiel auf die Erde nieder und rief:
„Ehrwürdige Frau! Was muß ich tun, um diese Tränen dir zu vergelten?”
Er konnte vor Schluchzen kaum zur Sprache kommen.
Dann ergriff die Königin das Wort und sprach:
„Was hilft ein längerer Aufenthalt? Wir müssen uns trennen. Je länger wir uns noch sehen, desto größer wird der Schmerz des Scheidens.
Gehe hin in Frieden des Herrn!
Mein Angesicht wirst du in diesem sterblichen Leben nicht mehr sehen.
Ich habe nichts vergessen. Ich habe dir alles mitgeteilt, was ich im Sinne hatte.
Erweise meiner Seele nur noch den Trost, daß du recht oft dieses Ortes gedenkst.”
Der Kaiser reiste nun ab.
Er zog durch mehrere Städte Thüringens und kam auf das Fest der Himmelfahrt Mariä wieder in Rom an.
Von diesen Tagen an, begann die heilige Königin zu kränkeln.
Dessen ungeachtet besuchte sie noch alle die königlichen Besitzungen, auf welchen sie Klöster gegründet hatte.
Nachdem sie das ganze sächsische Gebiet durchreist und überall heilsame Anordnungen getroffen hatte, kehrte sie wieder nach Nordhausen zurück.
Hier war sie immer am liebsten.
Dort hatte sie ihre getreue Richburg als Äbtissin über die 3000 Nonnen eingesetzt.
Diese mußte ihr immer über den Stand der Dinge, über die Fortschritte der Nonnen im geistlichen Leben Rechenschaft geben.
Sie ging aber auch selbst ins Kloster, am öftesten in die Klosterschule.
Die Fortschritte einer jeden Einzelnen wahrzunehmen, war ihre größte Freude.
Diesmal blieb sie vom Herbste an bis auf Weihnachten in ihrem lieben Nordhausen.
Nach dem Feste des hl. Apostel Thomas aber rief die Äbtissin zu sich und sprach zu ihr:
„Meine treue Seele, Zeugin aller meiner Handlungen seit so vielen Jahren!
Meine immer wiederkehrende Kränklichkeit deutet mir an, daß der Tag meiner Auflösung heran nahet.
Darum muß ich jetzt von hier fort eilen, damit nicht der letzte Tag meines zeitlichen Lebens mich hier überfalle.
”
Die Äbtissin konnte vor Schrecken Anfangs kein Wort reden.
Als sie sich etwas erholt hatte, entgegnete sie:
„Liebenswürdigste Frau! Was soll diese Ankündigung bedeuten?
Wofür sagt ihr uns solche traurige Kunde?
Wollt ihr uns hier ohne Trost und Hilde zurück lassen?
Wir hoffen, daß dies Unglück uns noch lange nicht treffen werde.
Aber um das Eine bitten wir euch, daß ihr jetzt einige Zeit bei uns bleibt, bis wir sehen, daß es mit Gottes Hilfe euch besser geht.
Sollte aber der Tod euch früher ereilen, so lasset uns doch um Gottes Willen den Trost, daß wir euch unsre Dienste leisten bis ans Ende, und daß eure geliebte sterbliche Hülle uns bleibe. ”
Darauf sprach die Königin:
„Was ich jetzt vorhabe, ist schon längst von mir überlegt und beschlossen worden.
Herzlich gerne hätte ich mir diesen Ort als Ruhestätte für meinen Leib erwählt, damit mein Sohn Otto und meine Enkel diese meine Stiftung um so mehr im Andenken behielten.
Aber ich getraue mir nicht, diesem meinem Wunsche nachzugeben.
In Quedlinburg liegt mein königlicher Gemahl Heinrich begraben.
Neben ihm muß auch meine zeitliche Ruhestätte sein.
Vereint mit einander wollen wir den Tag der Auferstehung erwarten.
Würde ich nun hier sterben, so müßte meine Leiche nach Quedlinburg gebracht werden.
Das würde euch weit schwerer fallen, als wenn ich jetzt lebend von euch scheide.
Darum muß ich jetzt meine Abreise beschleunigen.
Seid getrost! Liebet Gott und liebet nie etwas ausser ihm!
Bemühet euch unablässig, mit ganzer Seele ihm zu dienen.
Seid anhaltend im Wachen und Beten und treu euerm Gelübde!
Gedenket der Seelen, zu deren Trost ich dies Kloster gegründet habe, zudem auch meiner Enkel, die noch in dieser Welt leben.
Vergesset euch meiner nicht!
Ihr werdet Niemanden finden, der euch treuer geliebt.
Ich empfehle euch Gott, dem Vater der Waisen, und der Fürbitte der seligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen, deren Reliquien an diesem Orte beigesetzt wurden.
Euer Herz betrübe sich nicht. Setzet Eure Hoffnung auf Gott!
Bin ich auch dem Leibe nach abwesend von euch, so bleibe ich doch in meiner Liebe immer mit euch vereint.”
Die gottselige Königin reiste am 22. Dezember 967 von Nordhausen ab.
Die Klosterfrauen, die sie immer mit der innigsten Liebe geliebt hatten, waren dadurch in die tiefste Betrübnis versetzt, vorzüglich darum, weil sie die geliebteste Mutter in ihrem Leben nicht mehr sehen sollten.
Sie kam glücklich in Quedlinburg an.
Hier sollte nach Gottes Anordnung ihre Seele aus dem Gefängnisse des irdischen Leibes befreit werden.
Ihre Krankheit wurde von Tag zu Tag schmerzhafter.
Als sie den Tag ihrer Auflösung heran nahen sah, berief sie noch die Äbtissin von Nordhausen, ihre getreue Rechburgis, zu sich, daß sie ihr in der letzten Stunde beistehen möchte.
All ihre Habe, die sie noch nicht an die Armen aufgeteilt hatte, übergab sie jetzt den Bischöfen und Priestern, damit diese Barmherzigkeit an den Notleidenden üben konnten; denn sie gedachte der Rede des Herrn:
„Verkaufe Alles und gib es den Armen!” Luc. 18,22.
Unter der Menge derjenigen, welche die kranke Königin besuchten, war auch der Erzbischof Wilhelm von Mainz.
Selbst dem Tode nahe, ohne dieses zu ahnen, wollte er die bald dahinsterbende Königin nochmal sehen und trösten.
Diese empfing ihn mit ausgezeichneter Freundlichkeit und sprach zu ihm:
„Ihr tut wohl, daß ihr vor meinem Tode mich besucht.
Keiner von den Bischöfen steht mir so nahe wie ihr.
Keiner könnte mir willkommener sein; denn mein geliebter Sohn Bruno hat schon vor mir dieses Elend verlassen.
Jetzt höret aber vor Allem meine Beicht an, und erteilet mir Kraft der Vollmacht, die euch von Gott und dem Apostelfürsten Petrus übertragen ist, die Lossprechung von meinen Sünden.
Dann gehet in die Kirche und bringet zu einem Sühneopfer für meine Sünden und Nachläßigkeiten und zugleich für die Seele meines verstorbenen Gatten, und für alle Christgläubige, Lebendige und Verstorbene, das hl. Opfer dar.”
Der Erzbischof tat, wie ihm befohlen ward.
Nach der Messe kam er wieder in das Gemach der Königin und erteilte ihr nochmal die Absolution.
Dann salbte er sie mit dem hl. Oele und reichte ihr das hoch heilige Geheimnis des Leibes und Blutes Christi.
Nach dieser heiligen Handlung blieb er noch drei Tage bei der Königin, immer ihres Hinscheidens gegenwärtig.
Als er aber am vierten tage sah, daß die letzte Stunde für sie noch nicht so bald kommen werde, bat er die Königin, sie möchte erlauben, daß er wieder zu seiner Kirche zurückkehre.
Selbst im Innersten der Seele betrübt, sprach er der kranken Königin recht teilnehmend und trostreich zu.
Sie sollte sich freuen, denn ihre Seele vertausche bei ihrem Scheiden vom Leibe die zeitliche Mühseligkeit mit der ewigen Ruhe des Himmels.
Sie redeten noch vieles mit einander, das nicht aufgezeichnet ist.
Dann ließ die Königin ihre getreue Richburgis zu sich kommen und fragte sie, ob noch etwas da wäre, das sie dem Erzbischofe als Andenken geben könnte.
Diese erklärte, Alles sei unter die Armen verteilt.
Darauf fragte die Kranke:
„Wo sind denn die Totentücher, die für meine Begräbnis aufbewahrt wurden?
Gehet und bringet sie her, der Bischof soll sie als ein Unterpfand meiner Seele hinnehmen; denn er bedarf ihrer eher als ich.
Er hat einen sehr schweren Weg durchzumachen.”
Der Bischof nahm dies Andenken an, dankte dafür und segnete es.
Dann wendete er sich an die Dienerschaft und sagte etwas stiller, so daß die Königin es nicht hören konnte.
„Ich reise jetzt nach Rudolfsroth, lasse aber einen von meinen Geistlichen hier, daß er der Königin in der Todesstunde beistehe.
Dieser soll mir dann sogleich ihren Tod berichten, daß ich kommen und das feierliche Begräbnis halten kann.”
Augenblicklich erhob die Königin ihr Haupt und sprach, als wenn der Erzbischof dies Alles zu ihr gesprochen hätte, zu ihm:
„Es ist nicht notwendig, daß der Geistliche bei mir bleibe.
Er soll mit euch reisen, ihr werdet seines Beistandes auf der Reise gar sehr bedürfen.
Gehet im Frieden des Herrn, wohin sein göttlicher Wille euch führen wird.”
Der Bischof reiste ab und kam nach Rudolfsroth.
Hier nahm er Arznei zu sich und starb eines plötzlichen Todes.
Als die Todesnachricht in Quedlinburg ankam, war Allen sehr bange, wie man die selbe der Königin beibringen sollte.
Die ehrwürdige Magd Christi aber hatte im prophetischen Geiste dieses Alles schon geschaut und sprach unter Tränen zu den Umstehenden:
„Warum tut ihr so geheim unter einander?
Und warum wollt ihr mir die böse Kunde nicht bringen?
Ich weiß gar wohl, daß der Bischof Wilhelm aus dieser Welt geschieden ist.
Und dies ist es, was meine Krankheit noch erhöht.
Lasset die Glocken läuten und rufet die Armen herbei, daß sie Almosen empfangen und für seine Seele zu Gott beten.”
Von da an lebte sie noch zwölf Tage.
Am Karsamstag sollte sie aus dieser Welt scheiden.
An diesem Tage ließ sie schon am frühesten Morgen ihre Leute aufstehen, und die Priester samt den Nonnen auffordern, die heiligen Zeremonien des Tages frühe zu beginnen.
Eine unzählbare Menschenschaar sammelte sich vor ihrer Wohnung.
Sie befahl, es dürfe keinem Menschen der Eintritt zu ihr versagt werden.
Allen, die zu ihr kamen, gab sie heilsame Lehren.
Dann hieß sie Alle, die nicht notwendige Geschäfte bei ihr hätten, im Frieden des Herrn hingehen.
Jetzt rief sie noch ihre Nichte, die Äbtissin Mathildis, eine Tochter des Kaisers Otto, zu sich und forderte sie auf, fromm, demütig, weise und vorsichtig zu sein, über die ihr anvertraute Herde mit mütterlicher Sorgfalt zu wachen, nur äusserst selten ausser dem Kloster sich aufzuhalten und den Weltgesinnten den Eintritt in die geheiligte Stätte nicht zu gestatten.
Sie reichte ihr auch ein Verzeichnis, in welches die Namen der verstorbenen fürstlichen Personen eingetragen waren.
Dann empfahl sie ihrem Gebete die Seele ihres königlichen Gemahls Heinrich und ihre eigene Seele und die Seelen aller Verstorbenen, deren sie immer gedacht hatte.
Zuletzt trat noch die Äbtissin Richburgis an ihr Sterbebett, warf sich weinend zu den Füßen der Königin auf die Erde hin und sprach:
„Meine teuerste Frau? Wem übergebt ihr die verwaiste Genossenschaft, über die ihr mich Unwürdige als Äbtissin gesetzt habt?
Ach, es wird mir unendlich schwer sein, die mir anvertraute Herde in Ordnung zu erhalten, wenn ich eures Schutzes entbehren muß.”
Die heilige Königin war durch diese Rede tief bewegt und sprach:
„Ich empfehle euch dem höchsten Schutzherrn.
Nicht dem Schutze eines Fremden, sondern meines Sohnes Otto und meiner Enkel übergebe ich euch.”
Richburgis erwiderte: Ach, wir wissen nicht, wie diese gesinnt sein werden, und weinte ganz trostlos.
Darauf sprach die Königin:
„Auf wen wollen wir die Hoffnung setzen, zu wem werden wir unsern Geist erheben als zu Gott allein?
Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles Übrige wird euch dazu gegeben werden.
Ich habe das Vertrauen zu meinem Sohne Otto, daß er seines Versprechens eingedenk und euch ein Beschützer sein werde.
Wer immer das geheiligte Gut, das ich von meinem Anteile euch zur Notdurft des Lebens übergeben habe, euch rauben oder vermindern will, der soll sehen, wie er es verantworte.
Wer dagegen es schützet und vermehret, der wird von dem gütigen Gott den entsprechenden Lohn empfangen.”
Nach diesen Worten hieß sie die Priester und Nonnen näher zu ihr hinzutreten, damit sie ihre Beicht hören könnten und für sie Vergebung der Sünden von Gott erflehen möchten.
Darauf ließ sie die hl. Messe feiern und sich den Leib des Herrn reichen, um durch die Teilnahme an diesem Geheimnisse einen sicheren Schutz gegen die List des Feindes zu erlangen.
Als dieses geschehen war, bat sie die Umstehenden, sie möchten Psalmen singen und die Worte des Herrn aus dem Evangelium lesen, bis ihre Seele auf Gottes Befehl aus dem Leibe scheide.
Von da an redete sie nichts mehr, sondern erhob die Augen, Hände und Herz gen Himmel.
Um die neunte Stunde ließ sie ein Bußgewand bringen und sich in dem selben auf den Boden hinlegen.
Sie selbst bestreute mit eigener Hand ihr Haupt mit Asche; denn dem Christen zieme nur, in Sack und Asche zu sterben.
Dann bezeichnete sie sich mit dem Zeichen des hl. Kreuzes und entschlief selig im Herrn den 14. März 968.
Man begrub den Leichnam der heiligen Königin in der Basilika des hl. Servatius neben dem Grabe des Kaisers Heinrich, wo sie zu ruhen und den Tag des Gerichtes zu erwarten verlangt hatte.
Ihr Alter kann nicht mit Bestimmtheit angegeben werden.
Quelle:
- BAVARIA SANCTA - Leben der Heiligen und Seligen des Bayerlandes
zur Belehrung und Erbauung für das christliche Volk - Bearbeitet von Dr. Modestus Jocham, Professor der Theologie und erzbischöflicher geistlicher Rat - Mit Gutheißung des hochwürdigsten Erzbischöflichen Ordinariats München - Freising, (1861)
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